Die Chorgeschichte in aller Kürze
136 Jahre voller Musik
Die Gründungsurkunde selbst ist nicht mehr vorhanden, aber ein von den „Damen des Vereins zum 25-jährigen Jubelfeste“ gestickter Fahnenwimpel zeugt klar und deutlich vom 20. Januar 1885, jenem Tag, der sich 2021 zum 136. Mal gejährt hat. Es ist der Gründungs-, der Geburtstag des Männergesangvereins „Lyra“ Wadersloh.
Überwiegend sangesfreudige Herren des geselligen Vereins „Spes“ (Hoffnung) sind es, die am 20. Januar 1885, einem Dienstag, beschließen, in Wadersloh einen Männerchor mit dem Namen „Lyra“ ins Leben zu rufen (Bild). Anlass ist die Versetzung des Pfarrverwalters Brüggemann von Wadersloh nach Altlünen. Eine würdige Abschiedsfeier will man dem Seelsorger bereiten, untermalt mit frohem Premieren-Gesang des frisch gebackenen Vereins. Folgende „Spes“-Herren setzen die „Lyra“-Gründung in der Gastwirtschaft Heinrich Holtermann (später Hellmann, heute Karger) in die Tat um: Benedikt Laerberg (Vorsitzender), Clemens Dierichs (Dirigent), Heinrich Holtermann, Gerhard Holtermann, Franz Holtermann, Theodor Tecklenborg, Anton Holtermann, Anton Eusterschulte, Heinrich Koch, Johann Heising, Heinrich Surland, Arnold Hauptmeier, Heinrich Quick und Gerhard Quick.
Seit jenem 20. Januar 1885 treffen sich sangesfreudige Herren regelmäßig aus Freude an der Musik sowie aus Freude an der Gemeinschaft und der Geselligkeit zu Chorproben und Auftritten – inzwischen im 125. Vereinsjahr. Dienstags um 20 Uhr ist auch 2019 in der Gaststätte Berlinghoff am Freudenberg für rund 34Männer zwischen 45 und 90 Jahren „Lyra-Time“. Mitmachen erwünscht. Es darf gesungen werden.
Wie sich der junge Verein damals in den Dienst seines Heimatdorfes stellte, so ist es auch heute noch. Der Männergesangverein sorgt bei offiziellen Anlässen in der Kommune mit für den guten Ton, setzt in eigener Regie Akzente im kulturellen Leben der Gemeinde, gestaltet Gottesdienste in der Pfarrkirche und weiß bei Auftritten unter anderem in Altenheimen um seine soziale Aufgabe und Verantwortung.
Den ersten Führungswechsel in der „Lyra“-Geschichte bringt das Jahr 1898. Mitbegründer Arnold Hauptmeier löst Benedikt Laerberg an der Spitze des Vereins ab. Drei Jahre später (Bild links) scheidet mit Clemens Dierichs ein weiterer Mann der ersten Stunde aus, mit dem der Verein mit Bravour die schwierigen Hürden der Gründungsphase überwunden hat. Von Dierichs übernimmt Franz Holtermann den Dirigentenstab. Heute ist - seit Januar 2007 - der Lippstädter Musikdirektor Johannes Tusch der zehnte musikalische Leiter in der Geschichte der „Lyra“, nachdem Norbert Kroker (Wadersloh, 1987 bis 1999) und Gerhard Schoenefeldt (Beckum, 1999 bis 2006) in den jüngsten beiden Jahrzehnten den Takt vorgegeben haben. Nach Franz-Josef Holthaus (1975 bis 1989) nimmt in der Liste der Vorsitzenden heute Martin Neitemeier die siebte Stelle ein.
Es ist ein munterer Gesangverein, der sich Ende des 19. Jahrhunderts in Wadersloh mehr oder weniger mausert. Zur „Förderung der edlen Tonkunst“ hat man sich 1885 zusammengeschlossen, wobei jedoch Unterhaltung, Fröhlichkeit und Kameradschaft nicht zu kurz kommen sollen. Beim Blick zurück wird deutlich: Langeweile hat es im „Lyra“-Vereinsleben selten gegeben.
Rund 25 Jahre ist der Männerchor alt, als die Vereinsarbeit einen neuen Akzent bekommt: Mit mehrstimmigem Gesang bereichert die „Lyra“ fortan auch Gottesdienste. In punkto geistliche Musik stellt Josef Fleiter besonders hohe Anforderungen, nachdem er 1912 das Dirigat von Franz Holtermann übernommen hat. Dass dabei aber auch Kunst- und Volkslieder nicht zu kurz kommen, beweisen die Preise, die der Chor bei verschiedenen Wettbewerben erringt.
Ganz im Zeichen des Gesangs steht Wadersloh am 15. und 16. Juni 1935: 35 Männergesangvereine mit 1200 Aktiven geben sich ein Stelldichein und bringen der „Lyra“ zu ihrem „50-Jährigen“ manch wohlklingendes Ständchen. Die Jubelfeier ist mit dem nach Rheda (1926), Neubeckum (1929), Warendorf (1931) und Beckum (1933) fünften Sängerkreisfest des Sängerkreises Emsland verbunden. Das Festbuch gibt ein beredtes Zeugnis vom damaligen Männerchorgesang. „Lyra“-Mitglied, Lehrer und Heimatdichter Jans Füting begrüßt die Gäste mit einem plattdeutschen Gedicht in der „Glocke“ vom 15. Juni 1935.
Zwölf Jahre später bringen Carl Cordes und Anton Ackfeld die „Lyra“ nach Kriegsende - zwischenzeitlich war nur noch an jedem ersten Dienstag im Monat und schließlich gar nicht mehr gesungen worden - wieder auf die Beine. Dirigent wird der 31-jährige Albert Fleiter, der in die Fußstapfen seines Vaters tritt. Vorsitzender und damit Nachfolger von Carl Krumkamp wird im Jahr 1947 Hermann Vogelsang. Das 75-Jährige wird 1960 unter der Regie von Clemens Stammschroer (Vorsitzender) und Leo Kroker (Dirigent) in bescheidenem Rahmen gefeiert.
Beim „90-Jährigen“ im Jahre 1975 (Bild) rücken vor allem jene älteren Sänger in den Blickpunkt, die die Vereinsgeschichte jahrzehntelang geprägt haben, allen voran Anton Ackfeld, Georg Bornefeld, Johann Heising und Heinrich Vogelsang.
Zehn Jahre später ist dann wieder „großer Bahnhof“ angesagt: Die personell trotz mancher Rückschläge gestärkte „Lyra“ macht das Jahrhundert voll und wird für „jahrelange besondere Verdienste um die Pflege der Chormusik und des deutschen Volksliedes und damit um die Förderung des kulturellen Lebens“ mit der Zelter-Plakette geehrt. Stolz nimmt Vorsitzender Franz-Josef Holthaus die Auszeichnung am 19. Mai 1985 in der Konzerthalle in Bad Salzuflen aus der Hand des nordrhein-westfälischen Kultusministers Hans Schwier entgegen.
Die „Lyra“-Mitglieder beim 100-jährigen Bestehen im Jahre 1985 (von links):
vordere Reihe: Karl Vering, Konrad Laumann sen., Heinz Kirschbaum, Antonius Ackfeld, Leo Holthaus, Franz-Josef Holthaus, Ulrich Balkenhol, Werner Voss, Willi Strunk, Hermann Bücker, Ferdi Fleiter und Emil Oberweg;
mittlere Reihe: Heinz Rehkop, Hermann Weber, Konrad Laumann jun., Hans Brand, Heinrich Deppenkemper, Elmar Holtermann, Stefan Fröhlich, Reinhold Hagemeier, Heinz-Bernd Schrage, Norbert Kroker, Heinz Wapelhorst, Hermann Neitemeier, Anton Beelmann, Wolfgang Holthaus, Theo Hölscher, Alex Funke und Willi Fischer;
hintere Reihe: Bernhard Borghoff, Martin Neitemeier, Willi Konert, Alfons Funke, Heinz Bücker, Franz-Josef Niehüser, Ludger Deppenkemper, Josef-Franz Grawe, Heinz Baumeister, Wolfgang Paschen, Walter Rehnelt, Heinrich Sabellek, Martin Voss, Ferdinand Fleiter jun., Wolfgang Hartmann und Rudi Sabellek.
„Feiern Sie mit uns Geburtstag“ – so hat die „Lyra“ ihr Jubiläumsjahr 1985 überschrieben. Frühlings-Wunschkonzert, Gutachtersingen, offenes Musizieren mit den übrigen Wadersloher Chören und Musikgruppen, das um Gäste erweiterte „Amtssingen“ sowie der Festsonntag am 9. Juni mit der Weihe einer neuen Vereinsfahne sind Höhepunkte des „100-Jährigen“.
Das Jubiläum hat Signalwirkung. Weitere Sänger können gewonnen werden, so dass die „Lyra“ in der Folgezeit im Gegensatz zu vielen anderen Chören stets recht jung daher kommt. Gleichwohl fordert das Alter seinen Tribut. Weitere Mitstreiter zu gewinnen, dieses Bemühen prägt wesentlich das fünfte Vierteljahrhundert der Vereinsgeschichte - in einer Zeit, in der die Botschaft „Singen ist im Chor am schönsten“ lange kein Gehör findet und sich erst allmählich wieder breit macht.
Mit einer Silvesterparty mit Kochabend am Jahreswechsel 2009/2010 sowie mit einem festlichen Gottesdienst im Januar steigt die "Lyra" 2010 in die Feierlichkeiten zum 125-jährigen Bestehen ein. Der Festakt im April, das offene Singen mit vielen Chören und Musikgruppen aus Wadersloh und Umgebung im Juni, das Festkonzert im Juni und der interne Überraschungsabend der Frauen im Dezember sind weitere Höhepunkte des 125-Jährigen (siehe gesonderten Text auf dieser Internetseite), das inzwischen auch schon wieder neuen Jahre zurückliegt.
Die Terminkalender des Wadersloher Männerchores sind in all den Jahren stets vielfältig gefüllt gewesen. Art und Charakter der Veranstaltungen haben sich allerdings im Laufe der Zeit verändert. Klar: Bei der Gedenkstunde am „Volkstrauertag“ ist der Männerchor seit eh und je vertreten, Sängerfeste mit befreundeten Chören gibt es heute wie früher. Doch von ihrem Traditionsfest schlechthin, dem Karnevalskränzchen, hat sich die „Lyra“ im Laufe der Jahre verabschiedet. Was einst im eigenen Kreise, gleichwohl aber mit einer besonderen gesellschaftlichen Note gefeiert wurde, bekam später öffentlichen Charakter. Allein oder zusammen mit dem Kirchenchor St. Margareta ist stets allerlei Närrisches zum Besten gegeben worden.
Doch 1981 sattelt man um. Frühlingskonzerte mit anschließendem Tanz am Vorabend des Maifeiertages sind fortan musikalische Schwerpunkte eines jeden Jahres. Heute ist auch das längst Geschichte. Seit geraumer Zeit prägen anspruchsvolle und vielfältige Konzerte mit unterschiedlichen Partnern das rege Vereinsleben, zu dem auch verschiedene gesellige Veranstaltungen und Fahrten gehören. Daneben werden unter anderem Freundschaften zu den Männerchören des ehemaligen Amtes Liesborn-Wadersloh sowie zum Männerchor „Arion“ in Leinefelde (Eichsfeld) unterhalten. Besonders prägend ist vor vielen Jahren die Verbindung zum Berliner Vokalensemble „Carl Maria von Weber“ gewesen. Die „Lyra“ holte diesen wohl besten deutschen Profi-Männerchor mit seinem Leitspruch „Wir werben für den Gesang“ mehrfach in die Gemeinde. Allerdings musste sich das Ensemble später aus wirtschaftlichen Gründen auflösen.
Damit sie noch lange bestehen bleibt und die Tradition der „Spes“-Gründer fortführen kann, ist die „Lyra“ auch heute stets um Nachwuchs bemüht. Sangesfreudige Herren sind, wie einst 1885, dienstags ab 20 Uhr zur Chorprobe herzlich willkommen. In der Gaststätte Berlinghoff auf dem Freudenberg ist dann „Lyra-Time“. Derzeit ruhen die Proben allerdings wegen der 2020 ausgebrochenen Corona-Pandemie.
Literaturhinweise:
90 Jahre Männergesangverein „Lyra“ Wadersloh, 1885 bis 1975, Wadersloh 1975
100 Jahre Männergesangverein „Lyra“ Wadersloh, 1885 bis 1985, Wadersloh 1985
„Froher Gesang über ein Jahrhundert lang“, in: 800 Jahre Wadersloh, Band 2, Vereine und Gruppen, hrsg. vom Heimatverein Wadersloh, 1987